Aus dem, was den armen Leuten früher zum Verzehr zur Verfügung stand, wurde entweder Brei, Eintopf oder Suppe gekocht. Was heute als «One-Pot-Meal» ein gehypter Foodtrend ist, war dazumal schlicht und einfach die einzige Art zu kochen. Denn statt voll ausgestatteter Küche gab es nur eine Feuerstelle und nur einen Topf. Es war also ziemlich naheliegend, dass die Armen früher gar nicht anders konnten, als Ein-Topf-Gerichte zuzubereiten. Wir haben unsere Nase statt in den Suppentopf in die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens gesteckt und allerlei Spannendes über Suppen und Eintöpfe erfahren.
Suppe – ein Topf Essenskultur
Eintopf und Brei für Arme
Früher waren in der Armeleuteküche lediglich zwei Zubereitungsarten bekannt: Eintopf und Brei. Deren Rezepte wurden selten notiert – Kochbücher gab es ausschliesslich für die Hofküche und die kochende Bürgerschicht. Nur in wenigen Büchern, wie zum Beispiel im «The State of the Poor» von Frederik Eden aus dem Jahr 1797, wurde ein Schottischer Porridge mit genauen Mengenangaben rezeptiert. Ansonsten landete je nach Saison und Verfügbarkeit einfach alles im Topf, ohne Mengenangaben, ohne genaue Zubereitungszeiten.
Und so kochen wir Porridge heute:
Alles aus einem Topf
Ausgrabungen aus der Zeit von 7500 v. Chr. im Iran lassen vermuten, dass Eintopf schon damals ein gängiges Gericht war. Mit nahrhaftem Eintopf aus Getreide, Hülsenfrüchten und im besten Fall etwas Fleisch oder Fisch wurden auch die Gladiatoren im alten Rom genährt. Das Ganze hat jeweils die ganze Nacht auf kleinem Feuer gekocht. Nicht nur das beliebige Mischen von Zutaten sorgte dafür, dass der Eintopf und die Suppe über Jahrtausende so beliebt waren, viele Familien hatten schlicht keinen Ofen oder mehrere Feuerstellen, sodass alles in einem einzigen Topf auf einer Feuerstelle zubereitet werden musste. Nur in Schlössern oder in guten Haushalten gab es ausgestattete Küchen.
Und so kochen wir Eintopf heute:
Huhn für die Ewigkeit
Nun bleibt die Frage, wieso nicht auch Fleisch über der offenen Feuerstelle grilliert wurde. Nun ja, wenn es in der armen Küche dann mal Fleisch gab, dann stammte dies meistens von ausgedienten Nutztieren, zum Beispiel dem Huhn, das keine Eier mehr legte. Diese Tiere waren meist so alt, dass ihr Fleisch zäh war und nur durch stundenlanges Köcheln geniessbar wurde. Ausserdem betrachtete man es als eine Verschwendung, einfach ein Stück Fleisch zu grillieren und zu verspeisen, ohne es dafür zu nutzen, Getreide, Gemüse oder Wasser Geschmack und Würze zu verleihen. Der Topf hing meistens ununterbrochen über dem Feuer und wurde nie komplett geleert. Reste der alten Brühe wurden genutzt, um die nächste Ladung Eintopf oder Suppe zu aromatisieren, ja gar zu veredeln. Jedes Stückchen Geflügel oder Fleisch hinterliess im Suppentopf also noch Tage etwas Restwürze.
Monsieur Suppe
Als sich Wohlhabende im 18. Jahrhundert etwas fundierter mit der Ernährung der Armen auseinandersetzten, waren sie verblüfft über den Nährwert, den deren Eintöpfe und Suppen aufwiesen. Ein gewisser Graf Rumford erfand, inspiriert von der Armeleuteküche, 1784 die nach ihm benannte Suppe. Vom Bayrischen Hof erhielt er damals den Auftrag, eine günstige Soldatennahrung zu erfinden. Feste Nahrung, so Graf Rumford, sollte mit möglichst viel Wasser gemischt werden. Auch lobte er den Nährwert von Wasser in den Himmel. Als Vergleich nimmt er Pflanzen: Die kämen schliesslich allein mit Wasser aus. Sein Suppenrezept enthielt Gerstengraupen, Wasser, Erbsen, Kartoffeln und Brot. Aber kein Geflügel oder Fleisch.
Und so kochen wir Gerstensuppe heute:
Poulet fürs Gesinde
Suppe, die für Diener und Hausangestellte zubereitet wurde, nannte man «Gesindesuppe». Ab und zu wurde sie mit etwas Fleisch oder Geflügel gepimpt. Der französische König Heinrich IV beispielsweise wünschte sich Ende des 16. Jahrhunderts jeden Sonntag Poulet für seine Untertanen. Also wurde «poule au pot», ein Poulet-Eintopf, gekocht.
Arme-Leute-Suppe für Reiche
Mehr und mehr wurden die Arme-Leute-Suppen auch in der «guten Küche» zubereitet. So schaffte es beispielsweise die Rumford-Suppe im 19. Jahrhundert mit einer Fleisch- oder Geflügeleinlage in bürgerliche Kochbücher. Es gab auch Suppen-Rezepte, die gar nicht allzu stark verändert wurden, aber trotzdem vom Armeleuteessen zum Festmahl für Reiche aufstiegen, als gutes Beispiel dient hier die Bouillabaisse. Einfache Fischer haben ursprünglich zu kleine und zu grätige Fische, die sich nicht verkaufen liessen, in der Suppe gekocht und mit günstigem Knoblauch gewürzt. Heute enthält die von Sterneköchen perfektionierte noble Suppe zudem Safran und edlere Fische. Auch die Gazpacho hat ihren Ursprung in der Armeleuteküche. Ein Reisender berichtet von der Zubereitung einer Gazpacho, wie er sie im Jahr 1789 in Südwestfrankreich gegessen hat: «Das Brot liegt mit einem Stück Butter in einem grossen Holzteller schon bereit, und dann giesst man kochendes Wasser darüber: Die Suppe ist fertig. Eine Knoblauchzehe und eine rohe Zwiebel, von der Köchin kleingekaut und dann hineingespuckt: Das ist die Würze.» Die heutige Rezeptur sieht natürlich etwas anders aus, aber die Grundidee wurde bis heute übernommen. Bei der spanischen Variante kamen erst später Tomate, Gurke und Gewürze in die Suppe.
Und so kochen wir Fischsuppe mit Safran heute:
Hühnersuppe für die Seele
Auch die Hühnersuppe ist eines dieser Überbleibsel aus den alten harten Suppen-Zeiten. Sie hat sich bis heute durchgesetzt als bewährtes Ein-Topf-Gericht. Gerüstetes Suppengemüse wie Karotten, Sellerie und Lauch wird zusammen mit Zwiebel, frischen Kräutern, Gewürzen und einem Suppenhuhn im Wasser während Stunden gekocht. Von so manchen Grosseltern dieses Landes wird die Hühnerbrühe als «Kraftsuppe» zur Stärkung aufgetischt. Nicht nur Oma und Opa, auch die alten Ägypter schworen auf die heilende Wirkung der Suppe. Ob sie tatsächlich einen heilenden Effekt hat, lassen wir an dieser Stelle offen. Was wir aber garantieren, ist das wohlig warme Gefühl, das so eine richtig gute Hühnersuppe auslöst – Nahrung für Bauch und Seele quasi.
Und so kochen wir Hühnersuppe heute:
Quelle: Kulturgeschichte des Essens und Trinkens, Gert von Paczensky, Anna Dünnebier, Orbis Verlag
En Guete! Jetzt Freunden weitersagen.